Der Oekumenische Hospizdienst Buchholz e.V. begleitet Kinder, Jugendliche und deren Familien, die lebensbedrohliche Erkrankungen, Sterben, Tod und Trauer erleben.
Seit vielen Jahren besteht eine enge Kooperation mit dem Kinderhospiz Löwenherz in Syke. Einige unserer Hospizbegleiter*innen wurden, zusätzlich zur üblichen Ausbildung, in Syke zu Kinder- und Jugendhospizbegleiter*innen ausgebildet.
Unsere ehrenamtlichen Kinder- und Jugendhospizbegleiter*innen:
- begleiten und entlasten betroffene Familien im täglichen Leben und ermöglichen den pflegenden Eltern eine kleine Verschnaufpause.
- verbringen Zeit mit den erkrankten Kindern und sind Ansprechpartner für Geschwisterkinder und Familienangehörige.
- geben Raum um über Sorgen, Ängste, Trauer und Hoffnungen zu sprechen.
- begleiten ab dem ersten Tag der Diagnosestellung.
- begleiten Familien ungeachtet ihrer Religion oder Weltanschauung und unterliegen der Schweigepflicht.
Dieses Angebot ist kostenfrei.
Maike Bengelsdorf (links) und Helga Oberthür
Jan-Jakob
Erfahrungsbericht einer ehrenamtlichen Kinder- und Jugendhospizbegleiterin
Wenn Jan-Jakob lachte, klang das wie ein Quietschen: Laut, unkontrolliert und voller Lebensfreude. Er war acht Jahre alt, als ich ihn 2008 kennenlernte. Für drei Wochen war ich als Urlaubsvertretung für eine Hospiz-Kollegin eingesetzt und sollte ihn und seine getrennt lebende Mutter betreuen. Ich fühlte mich dank meiner Ausbildung beim Kinderhospiz Löwenherz gut dafür gerüstet, gleichwohl hatte ich Angst vor der ersten Begegnung mit ihm.
Jan-Jakob war durch einen Gen-Defekt körperlich und geistig schwerstbehindert. Er konnte sich allein kaum bewegen, sein Körper war spastisch gelähmt, und er wurde über eine Magensonde ernährt. Sein Rachen musste ausgesaugt werden, weil er selbst nicht schlucken konnte. Und seine Sinne waren stark beeinträchtigt. Vermutlich war er blind.
Als ich das Zimmer, in dem er lag, zum ersten Mal betrat, war ich unsicher. Jan-Jakob nahm mich nicht wahr – und ich fühlte mich hilflos. Dabei war er derjenige, der hilfsbedürftig war. Er lag tagsüber auf seiner „Insel“, so kam mir das himmelblaue runde Plüschsofa vor. Es stand im Wohnzimmer und bildete den Lebensmittelpunkt seiner Mutter. Ich nahm einen Stuhl und setzte mich zu ihm. Ich erzählte von mir, berührte ihn sanft am Rücken und streichelte ihn an seinen Armen. Seine starke Behinderung ließ kaum eine Reaktion zu. Ich folgte meinem Herzen und war einfach nur für ihn da. So liefen meine Besuche ab und ich war erleichtert, als die Urlaubsvertretung endete.
Kinder- und Jugendhospiz Löwenherz - Schmetterlinge
Doch Jan-Jakob ließ mich gedanklich nicht mehr los. Und so bot ich der Hospiz-Kollegin an, die Betreuung des Jungen zu teilen. Kinder-Begleitungen finden häufig im Zweier-Team statt, weil sie mitunter Jahre dauern und die Begleiter in dieser Zeit jemanden zum Austausch und Auffangen brauchen.
Ich las ihm aus Kinderbüchern vor und massierte vorsichtig seinen kleinen Körper. Seine Mutter vertraute mir und freute sich über die Entlastung, so hatte sie auch etwas Zeit für sich. Wir saßen manchmal zusammen und sprachen über das Leben, es waren gute Gespräche mit ihr.
Jan-Jakob und ich fanden immer näher zusammen. Ich traute mir mehr und mehr zu und meine Bedenken, ihm weh zu tun, schwanden. Meine anfänglichen Ängste wandelten sich in Vertrauen – zu ihm und zu mir selbst. Er wuchs mir ans Herz. Jan-Jakob fing an, auf meine Stimme zu reagieren. Wenn er unruhig war, konnte ich ihn beruhigen, indem ich ihn in den Arm nahm, seinen Rücken streichelte und ihm etwas erzählte.
Sein quietschendes Lachen empfand ich als Geschenk. Leider verlor es sich zum Ende hin. Er zeigte immer weniger Regung. Er wurde krank, hatte öfter Erkältungen oder Lungenentzündungen. Ich wünschte ihm, dass er im Frieden von dieser Welt gehen kann. Und als es wirklich im Oktober 2013 so weit war, war ich aufgewühlt und geschockt. Jan-Jakob hatte sich eine Nacht ausgesucht, in der sein Vater zufällig in der Nähe war. Er konnte sofort kommen. Die letzten Stunden war Jan-Jakob mit seiner Mutter und seinem Vater zusammen. Er schlief voller Liebe und Frieden in den Armen seiner Mutter ein.
Am nächsten Tag habe ich Abschied von Jan-Jakob genommen. Er sah sehr friedlich aus und frei von jeder Behinderung. Am Tag seiner Beerdigung schien die Sonne, dafür hatte er sicher gesorgt, dachte ich bei mir. Die Trauerfeier war bewegend und stimmungsvoll. Und die Sonnenstrahlen waren für mich ein Zeichen, dass er angekommen ist und nun alles gut ist.
Helga Oberthür
Jan-Jakob